Unter welchen Voraussetzungen können Steuerpflichtige gewinnmindernd Betriebsausgaben in Abzug bringen? Diese enorm praxisrelevante Frage hat die dritte Kammer des Bundesverfassungsgerichts in ihrem jüngsten Beschluss vom 27.05.2025 (Az.: 2 BvR 172/24) entschieden.
Der Sachverhalt
In dem verfahrensgegenständlichen Sachverhalt hatte die im globalen Schnittholzhandel tätige Beschwerdeführerin, die X-KG, für eine Schwestergesellschaft ohne schriftlichen Vertrag ein Sägewerk errichtet. Durch Fehlplanungen und mangelhafte Umsetzung kam es zu hohen außerplanmäßigen Zusatzkosten und Anlaufverlusten im Millionenbereich. Diese Kosten übernahm die Beschwerdeführerin gegenüber der Schwestergesellschaft. Grundlage war eine allein mündlich getroffene „Vereinbarung zum Schadensausgleich“.
In dem zugrunde liegenden Einspruchs- und Klageverfahren machte die spätere Beschwerdeführerin die übernommenen Kosten anschließend gewerbesteuerlich als Betriebsausgaben geltend. Sowohl die beklagte Finanzverwaltung als auch das Finanzgericht Thüringen versagten der Beschwerdeführerin jedoch den Betriebsausgabenabzug. Denn die geltend gemachten Kosten seien nicht betrieblich veranlasst gewesen.
Ob eine Zahlung betrieblich veranlasst ist, sei laut dem Finanzgericht Thüringen bei beteiligungsidentischen Unternehmen, bei denen wirtschaftliche Beziehungen außerhalb des Geschäftsverhältnisses bestünden und auf die Gewinnverteilung Einfluss gewinnen könnten, anhand der Grundsätze des Fremdvergleichs zu prüfen. Eine solche Überprüfung habe zu berücksichtigen, ob die zwischen den Schwestergesellschaften getroffenen Vereinbarungen zivilrechtlich wirksam, klar und eindeutig seien, ihrem Inhalt nach dem zwischen fremden Dritten Üblichen entsprächen und auch tatsächlich durchgeführt würden (Verweis auf BFH, Urteil vom 29. Juli 2015 – IV R 16/12 -, Rn. 17).
Laut dem Finanzgericht Thüringen hätten fremde Dritte angesichts der wirtschaftlichen Größenordnung schon im Vorhinein schriftliche Vereinbarungen über die wesentlichen Vertragspflichten und Haftungsrisiken getroffen. Da die Beschwerdeführerin und ihre Schwestergesellschaft ausschließlich mündliche bzw. konkludente Vereinbarungen geschlossen hätten, sei der Betriebsgabenabzug daher im Ergebnis zu versagen gewesen.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
Dieser Begründung trat das Bundesverfassungsgericht nun entschieden entgegen und hob das Urteil des Finanzgerichts Thüringen zu Recht auf. Das Bundesverfassungsgericht stellt klar, dass der Betriebsausgabenabzug nach dem eindeutigen Wortlaut des einschlägigen § 4 Abs. 4 EStG gerade kein Schriftformerfordernis vorsieht. Eine derartige einschränkende Gesetzesauslegung durch das Finanzgericht verstoße gegen das verfassungsrechtliche Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 GG.
Im Ergebnis positioniert sich das Bundesverfassungsgericht damit erfreulicherweise zugunsten von steuerpflichtigen Gewerbetreibenden. Der Betriebsausgabenabzug setzt im Ergebnis gerade keine schriftliche Vereinbarung über die später geltend gemachten Kosten voraus.
Im Volltext ist die Entscheidung abrufbar unter: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2025/05/rk20250527_2bvr017224.html
Jan Sollmann