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Überraschend, aber praxisrelevant – kein wirksamer Strafantrag per E-Mail

Allerwelt schreibt E-Mails – auch Strafanzeigen können schnell und unkompliziert per einfacher E-Mail als Anregungen zur Aufnahme von Ermittlungen z. B. bei der Polizei eingereicht werden. Das gilt allerdings nicht für den formellen Strafantrag, der bei manchen Straftaten zwingende Voraussetzung für eine Verfolgung durch die Strafverfolgungsbehörden ist:

Die Bundesrichter zogen vor kurzem in ihrer Entscheidung vom 12.05.2022 (Aktenzeichen: 5 StR 398/21; Entscheidung hier) die Grenze: Aus einem per einfacher E-Mail übermittelten Strafantrag könne weder Identität noch Verfolgungswillen des vermeintlich Verletzten zweifelsfrei festgestellt werden, deshalb sei dieser Übermittlungsweg für den formellen Strafantrag ungeeignet. Die Diskussionen der Vergangenheit in der Fachwelt darüber, „ob doch per E-Mail möglich?“ und „wenn ja, wie genau?“ sind damit vom Tisch. Als Anzeigeerstatter muss man weiterhin den Weg z. B. der klassischen Post-Übersendung oder einer Antragstellung vor Ort bei Polizei und Staatsanwaltschaft gehen.

Oftmals kommt es allerdings nicht darauf an, ob ein Strafantrag gestellt wird oder nicht: Viele Delikte sind ohne formellen Strafantrag verfolgbar. Bei anderen Straftaten genügt es, wenn die Staatsanwaltschaft die Verfolgung für geboten hält – sog. „relative Antragsdelikte“. Eher die Ausnahme stellen solche Straftaten dar, die allein aufgrund eines Strafantrags des vermeintlich Verletzten verfolgt werden können – bekannteste Vertreter dieser sog. „absoluten Antragsdelikte“ aus dem Strafgesetzbuch: die Beleidigung und der Hausfriedensbruch.

Im Wirtschaftsstrafrecht gibt es ebenfalls eine Vielzahl von – häufig allerdings relativen –  Antragsdelikten, so bspw.: Bestechlichkeit oder Bestechung im geschäftlichen Verkehr, Marken- oder Patentrechtsverletzungen oder (hier mal ein absolutes:) im Kunsturhebergesetz.

Aber Vorsicht – Formelle Strafanträge können nur innerhalb von drei Monaten nach Kenntnis von Tat und Täter gestellt werden. Zögern sollte man deshalb nicht zu lange; besser kurzfristig prüfen und ggf. beraten lassen, ob ein Strafantrag für eine Strafverfolgung nötig und/oder sinnvoll sowie bis wann er gestellt werden muss.

Achtung auch bei der Abgabe einer digitalen Strafanzeige bei einer sog. Onlinewache: Eine solche Online-Anzeige ersetzt nicht den formellen, schriftlichen Strafantrag. Viele Behörden haben auf den Beschluss der Bundesrichter bereits reagiert und Hinweise auf ihren Webseiten geschaltet.

Bundesgerichtshof, Beschluss v. 12.05.2022 – 5 StR 398/21; Link zur Entscheidung: https://openjur.de/u/2448254.html